Die Grundidee: Fahren in Takt

Taktfahrpläne sind im öffentlichen Verkehr heute Normalität. Jedoch fuhren die öffentlichen Verkehrsmittel nicht immer im Takt, und selbst heute sind Fahrpläne, die sich nicht am Takt orientieren, wie beispielsweise einzelne Fahrten im Berufs- und Schulverkehr oder auch im Tourismus, keine Seltenheit. Ungeachtet dessen hat sich der Taktfahrplan ausgehend von den großen Städten flächendeckend ausgebreitet.

Taktfahrplan bedeutet, dass Züge sich in einem bestimmten zeitlichen Abstand periodisch folgen, wodurch sich an einer Haltestelle ein Takt, oder auch eine Takt-Frequenz (d.h. die Anzahl der Abfahrten pro Zeiteinheit) ergibt. Der Takt ist auch die maximale Zeit die ein Fahrgast bei beliebiger zeitlicher Ankunft (z.B. zu Fuß) an der Haltestelle höchstens warten muss, bis der nächste Zug abfährt. Verbreitete Taktzeiten sind eine oder zwei Stunden im Regional- und Fernverkehr. Im städtischen Nahverkehr finden sich kürzere Taktzeiten wie 30, 20 oder 15 Minuten. Noch kürzere Taktzeiten sind ebenfalls auf sehr hochfrequentierten Strecken, beispielsweise bei U-Bahnen, verbreitet.

Eine Grundvoraussetzung für einen Taktfahrplan ist die Aufteilung des Netzes in feste Linien. Dies hat zur Folge, dass an einer Haltestelle, die nur von einer Linie bedient wird, auch nur die Haltestellen entlang dieser Linie ohne Umsteigen erreicht werden können. Sollen andere Haltestellen im Liniennetz erreicht werden, sind ein oder mehrere Umsteigevorgänge für den Fahrgast erforderlich.

Treffen sich zwei oder mehrere Linien an einem Punkt so entstehen Umsteigepunkte, oder auch Knoten, im Liniennetz. Wechselt ein Fahrgast an einem Knoten die Linie, so bedeutet die Umsteigezeit meist einen Fahrzeitverlust der bei einer direkten Verbindung nicht entstehen würde. Kurze Umsteigezeiten steigern  die Attraktivität des Gesamtnetzes. Fahren alle Linien in einem Verkehrsnetz im gleichen Takt, so ergeben sich an den Knoten immer die gleichen Umsteigezeiten. Diese sind also im Verlauf des Tages entweder immer attraktiv oder immer weniger attraktiv für den Fahrgast.

Der Vorteil eines Taktfahrplanes liegt in der guten Merkbarkeit für den Fahrgast. Dieser muss sich nur die Abfahrtsminute merken, da sich diese beispielweise zu jeder Stunde wiederholt. Dadurch steigert sich die Attraktivität des öffentlichen Verkehrs.

Für den Betreiber liegt der Vorteil in einer einfacheren Umlaufplanung der Fahrzeuge, die sich im Taktfahrplan ebenfalls zeitlich wiederholt. Für beide Seiten bringt der Taktfahrplan also eine bessere Planbarkeit und damit auch eine gewisse Sicherheit.

Nachteile ergeben sich auf Seiten der Wirtschaftlichkeit, da auch in nachfrageschwachen Zeiten der Takt bei vollem Material- und Personaleinsatz gehalten werden muss. Dies ist der Grund, wieso auch ein Taktfahrplan in der Praxis nicht ganz ohne eine Bedarfssteuerung auskommt. In nachfrageschwachen Zeiten, beispielsweise spät abends, wird der Takt ausgedünnt. Dies bedeutet, dass die Taktfrequenz sinkt. Da nachts üblicherweise aufgrund der sehr geringen Nachfrage kaum ein wirtschaftlicher Betrieb möglich ist, fahren in diesem Zeitraum praktisch keine Züge. Es zeigt sich also, dass der Taktfahrplan in der Wirtschaftlichkeit seine Grenzen findet.

Ebenfalls als Nachteil des Taktfahrplanes kann die geringe Zahl von Direktverbindungen gesehen werden. Im Vergleich zum Individualverkehr, mit dem der öffentliche Verkehr in Konkurrenz steht, ist meist ein Umsteigevorgang und eventuell ein Umweg über Knotenpunkt notwendig.

Der Erfolg des öffentlichen Nahverkehrs in Städten lässt diesen Nachteil als weniger relevant erscheinen. Allerdings ergeben sich in Städten aufgrund des dichten Taktes nur sehr kurze Umsteigezeiten und dadurch weniger Reisezeitverlust. Möglichst kurze Umsteigezeiten spielen also eine maßgebliche Rolle beim Erfolg der öffentlichen Verkehrsmittel.


Vom Taktfahrplan zum Integralen Taktfahrplan

Dem Integralen Taktfahrplan gehen sogenannte Rendezvouskonzepte voraus. Dies bedeutet, dass sich verschiedene Linien an einem Knoten zum selben Zeitpunkt treffen und so dem Fahrgast eine kurze Umsteigezeit ermöglichen. Dies kann innerhalb eines Verkehrsnetzes erfolgen oder auch durch die Verknüpfung von einem Verkehrsnetz zu einem anderen.

Ein Beispiel für ein Rendezvous-Konzept innerhalb eines Verkehrsnetzes ist das Stadtbusnetz der Stadt Lindau. Hier treffen sich alle 5 Linien zum gleichen Zeitpunkt am Zentralen Umsteigepunkt (ZUP). Da es sich bei 4 von 5 Linien um Durchmesserlinien handelt (eine Linie endet am ZUP), treffen sich am ZUP also 9 Busse und ermöglichen dem Fahrgast ein Umsteigen auf jede andere Linie in jeder Richtung mit einer sehr kurzen Umsteigezeit. Dieses Rendezvous-Konzept ist aber lokal beschränkt, da am ZUP kein Anschluss an andere Verkehrsträger besteht (der Bahnhof befindet sich an einem anderen Ort). Allerdings macht man sich bereits die Fahrplansymmetrie zunutze, d.h. beide Fahrtrichtungen treffen sich zum gleichen Zeitpunkt an einem Ort und ermöglichen dort gleiche Umsteigezeiten auf alle Linien in alle Richtungen. Selbst ein Umsteigen auf dieselbe Linie in Gegenrichtung ist möglich.

Ein anderes Beispiel findet sich in Böblingen: Dort wurde am Bahnhof die Ankunftszeit der Züge der Schönbuchbahn so gelegt, dass mit einer kurzen Umsteigezeit Anschluss an die Züge der Linie S1 der S-Bahn Stuttgart besteht. Dieses Beispiel zeigt also ein Rendezvous-Konzept, welches nur zwei Linien an einem Umsteigepunkt miteinander verbindet.

Auch in der Schweiz gab es ein bekanntes Beispiel: Als Vorlauf zum Integralen Taktfahrplan wurde in Zürich eine Anschlussspinne eingerichtet. Es trafen sich zur vollen und halben Stunde möglichst viele Züge aus unterschiedlichen Richtungen. Auch hier wurde also die Fahrplansymmetrie ausgenutzt. Allerdings handelte es sich noch nicht um einen Integralen Taktfahrplan da die Anschlüsse auf Zürich begrenzt ware. An anderen Knoten konnten aufgrund unpassender Fahrzeiten noch keine Knoten eingerichtet werden.

Rendezvous-Konzepte haben daher gemeinsam, dass sie lokal ausgelegt sind, und sich damit auf einen einzelnen Knoten oder auf ein kleines Netz beschränken. Der nächste Schritt ist in einem großen Gesamtnetz flächendeckend in mehreren Knoten gute Umsteigeverbindungen zu schaffen: Der Integrale Taktfahrplan.

Von einem Integralen Taktfahrplan wird gesprochen, wenn alle Linien eines Netzes vertaktet sind, und in Umsteigebahnhöfen attraktive, vertaktete Anschlüsse bestehen, und zwar in allen Richtungen, zwischen allen Zuggattungen und mit kurzen Umsteigewartezeiten (Umsteigezeiten)1.

Der Schwerpunkt wird dabei auf eine Verbesserung der Systemzeit, also der Fahrzeit zwischen zwei beliebigen Punkten im Gesamtnetz, gelegt. Einzelne Verbesserungen, wie beispielsweise der Bau von Hochgeschwindigkeitsstrecken, werden nur dann durchgeführt, wenn diese für die Umsetzung des Fahrplans, d.h. zur Erreichung einer bestimmten Fahrzeit zwischen zwei Knoten, notwendig sind. Grundsätzlich gilt für die Gestaltung der Infrastruktur und der Fahrzeiten auf einzelnen Strecken der Kerngedanke „so schnell wie nötig“.

Dies zeigt sich auch in der Planung der Infrastruktur und des Betriebs. Bei der klassischen Planung steht die Infrastruktur zeitlich vor dem Fahrplan. Hier wird bei der Planung und dem Bau der Infrastruktur oft nach dem Motto gehandelt „So schnell wie möglich“. Dies kann allerdings dazu führen, dass sich zwar auf einzelnen Strecken Fahrzeitverbesserungen ergeben, andere Verbindungen sich aber nicht verbessern, da der Fahrgast am Knoten lange auf einen Anschluss warten muss.

Beim Integralen Taktfahrplan steht in der Planung die Festlegung des Fahrplanes vor der Planung der Infrastruktur2. Daher wird die Infrastruktur auf den Fahrplan angepasst, so dass sich ein besseres Kosten/Nutzen-Verhältnis bezogen auf das Gesamtnetz einstellt. Dabei darf nicht vergessen werden, dass zu einem Integralen Taktfahrplan nicht nur der Bahnverkehr gehört. In der Schweiz sind beispielsweise (Post-)Busverbindungen und Seilbahnen mit dem Bahnverkehr harmonisiert, so dass auch ein Umsteigen zwischen den Verkehrsträgern attraktiv wird.

Man sollte also stets bedenken, dass zu einem ITF ein großflächiges Netz an vertakteten Verbindungen gehört, und zwar zwischen Fern-, Regional- und auch anderen Verkehrsträgern wie z.B. dem Busverkehr. Wird also davon gesprochen „in einer Stadt den Integralen Taktfahrplan einzuführen“ ist dies ein Widerspruch da der Netzgedanke fehlt. Man kann höchstens ermöglichen, dass ein bestimmter Punkt als Teil- oder Vollknoten in einen flächendeckenden ITF eingebunden wird.

Dabei dürfen nie die Anschlüsse in anderen Knotenpunkten aufgegeben werden, da sonst ebenfalls der Netzgedanke nicht gegeben ist. Stellt man an nur einem Knotenpunkt gute Anschlüsse her ist man nicht beim ITF, sondern beim Rendezvouzkonzept.

-> Weiter zur Umsetzung des ITF

1 Köppen, D., Mader, D., Rey, G., Schulz, A. (2005), „10 Jahre Allgäu Schwaben Takt“, Eisenbahntechnische Rundschau, April 2005

2 Rey, G. (2007), „Entwicklung des ITF von den Anfängen bis zur Gegenwart“, Eisenbahntechnisches Kolloquium, 05. Juni 2007