Immer wieder gibt es Forderungen entlang der Bodenseegürtelbahn ehemalige Haltestellen zu reaktivieren oder auch neue Haltestellen einzurichten. Allen Voran ist hier die „Initiative Bodensee-S-Bahn“ (IBSB) aktiv1. Doch auch in den aktuellen Planungen zum Ausbau der Bodenseegürtelbahn2 sind zusätzliche Haltestellen enthalten. Im Folgenden sollen verschiedene Vorschläge hinsichtlich ihrer Realisierungschancen grob bewertet werden.

Bei der Bewertung, ob ein zusätzlichen Bahnhalt sinnvoll ist, muss in erster Linie die Bahn als Massentransportmittel verstanden werden. Nur wegen weniger Fahrgäste anzuhalten ist weder ökonomisch noch ökologisch. Zudem erhöht ein zusätzlicher Halt die Fahrzeit und macht damit die Bahn für alle anderen Fahrgäste unattraktiv. Hierbei gilt es auch zu bedenken, dass vielleicht Anschlüsse dann nicht mehr gehalten werden können.

Ein Punkt, der oft vergessen wird, ist dass man eventuell eine Konkurrenzsituation zum Busverkehr schafft. So können sich Bus und Bahn gegenseitig Fahrgäste wegnehmen. Dadurch schadet man dem ÖPNV generell da dann beiden Transportmitteln die notwendigen Fahrgäste fehlen um rentabel zu sein. Allerdings kann dies auch zum Anlass genommen werden den Busverkehr neu zu ordnen um diesen dann als Zubringer zur Bahn zu nutzen und nicht parallel verkehren zu lassen.

Auf der anderen Seite kann ein zusätzlicher Halt mehr Fahrgäste anziehen und mehr Fahrtmöglichkeiten bieten. Es wird mehr Menschen ein Zugang zum ÖPNV ermöglicht und dadurch wird der öffentliche Verkehr im Gesamten attraktiver.

Die Sinnhaftigkeit eines zusätzlichen Bahnhaltes steht und fällt also mit dem Fahrgastpotential. Dabei können Haltstellen Ausgangspunkt einer Fahrt, aber auch das Ziel sein. In beiden Fällen ist der Einzugsbereich der Haltestelle entscheidend. Also z.B. ob genügend Menschen in einer akzeptablen Entfernung wohnen oder ob eine touristische Sehenswürdigkeit von der Haltstelle aus gut erreichbar ist.

Für diesen Haltestelleneinzugsbereich gibt es unterschiedliche Angaben. Nach FGSV werden hier für „sonstige Gemeinden“ 500-700 Meter für Bus und Straßenbahn und 800-1200 Meter für die Bahn angesetzt3. Auf dieser Basis werden hier nun um die Stationen Einzugsbereiche von 600 Meter und 1000 Meter (Luftlinie) als Kern- und erweiterter Einzugsbereich verwendet.

Im Folgenden werden nun bisherige Vorschläge zu neuen Haltestellen beschrieben und bewertet.

Radolfzell Stadion und Radolfzell Bachsteig

(Quelle: IBSB)

Über die genaue Lage dieser zwei Vorschläge ist nichts bekannt. Man muss aber davon ausgehen, dass damit der existierende Halt Haselbrunn aufgegeben wird und dafür zwei neue Haltestellen nördlich und südlich davon entstehen sollen. Ansonsten wären die Haltestellenabstände definitiv zu gering. Das potenzielle Fahrgastaufkommen ist durch die dichte Bebauung gut. Allerdings kann sich eine Konkurrenzsituation zum Busverkehr ergeben. Dies wäre ggf. zu prüfen.

Die Fahrzeit auf der Bodenseegürtelbahn dürfte das kaum betreffen. Schon heute halten in Radolfzell-Haselbrunn nur die Züge der Linie Radolfzell-Stockach, die Züge nach Friedrichshafen fahren durch. Das dürfte auch mit der Schaffung neuer Haltestellen so bleiben.

Realisierungschancen: Eher wahrscheinlich

Einzugsbereich der heutigen Bahnhöfe und Haltestellen in Radolfzell
Einzugsbereich mit zwei Haltestellen welche die Haltestelle Haselbrunn ersetzen

Espasingen

(Quelle: Planungen der DB Netz, IBSB, ehemaliger Bahnhalt)

Die Reaktivierung des Haltes in Espasingen erscheint logisch. Ob Espasingen allerdings mit 670 Einwohnern4 genügend Fahrgäste bieten kann, ist zweifelhaft. Hier sollte auf jeden Fall geprüft werden ob nicht ein Busverkehr die bessere Wahl ist.

Realisierungschancen: Eher unwahrscheinlich

Einzugsbereich einer Haltestellen in Espasingen

Ludwigshafen Strandbad

(Quelle: IBSB)

Ein zusätzlicher Halt am Strandbad in Ludwigshafen würde sowohl das Strandbad als auch die östlichen Wohngebiete von Ludwigshafen erschließen. Die Entfernung zum heutigen Bahnhof Ludwigshafen ist aber recht gering und so dürfte der Nutzen nur klein sein.

Realisierungschancen: Sehr unwahrscheinlich

Einzugsbereich mit dem heutigen Bahnhof Ludwigshafen und einer zusätzlichen Haltestelle Ludwigshafen-Strandbad

Alternativ sollte man darüber nachdenken, den heutigen Bahnhalt etwas weiter in östlicher Richtung zu verschieben. Damit könnte mit nur einem Bahnhalt in Ludwigshafen ein wesentlich größeres Einzugsgebiet bedient werden. Im Zuge eines zweigleisigen Ausbaues der Strecke und Umbaus des Bahnhaltes könnte dies ohne viel Zusatzaufwand durchgeführt werden.

Realisierungschancen: Eher wahrscheinlich

Einzugsbereich mit einem etwas nach Osten verlegtem Bahnhof Ludwigshafen

Sipplingen Hafen

(Quelle: IBSB)

Sipplingen ist mit dem heutigen Bahnhalt bereits gut abgedeckt. Es ist kaum anzunehmen, dass sich ein weiterer Halt in Sipplingen lohnen könnte.

Realisierungschancen: Sehr unwahrscheinlich

Einzugsbereich der heutigen Haltestelle Sipplingen
Einzugsbereich in Sipplingen mit einer zusätzlichen Haltestelle Sipplingen-Hafen

Überlingen Ost

(ehemaliger Bahnhalt)

In Überlingen klafft in der Abdeckung eine Lücke die mit der Reaktivierung der Haltestelle Überlingen-Ost geschlossen werden könnte. Aufgrund der dichten Bebauung im Einzugsgebiet ist mit einer ausreichenden Zahl an Fahrgästen zu rechnen. Es sollte allerdings darauf geachtet werden hier keine Konkurrenz zum Busverkehr zu schaffen.

Realisierungschancen: Eher wahrscheinlich

Einzugsbereich der heutigen Haltestellen in Überlingen
Einzugsbereich in Überlingen mit zusätzlichen Haltestellen in Überlingen-Ost und Nussdorf-Mitte

Überlingen Nussdorf-Mitte

(Quelle: IBSB)

Der heutige Halt Überlingen-Nussdorf deckt Nussdorf nur zum Teil ab, die Entfernung zu den östlichen Ortsteilen ist nicht sehr attraktiv. Daher erscheint es logisch hier einen weiteren Bahnhalt zu errichten. Allerdings ist die Distanz zum Halt Überlingen-Nussdorf relativ kurz. Eventuell sollte man darüber nachdenken die heutige Haltestelle Überlingen-Nussdorf aufzugeben und durch zwei neue Haltestellen jeweils westlich und östlich davon zu ersetzen.
Trotzdem gilt es zu bedenken, dass es hier bereits Buslinien gibt, die eine feinere Erschließung bieten.

Realisierungschancen: Eher unwahrscheinlich

Einzugsbereich in Überlingen mit zusätzlich nach Westen verlegter Haltestelle Nussdorf

Maurach-Birnau

(Quelle: IBSB, ehemaliger Bahnhalt)

Immer wieder taucht der Wunsch nach einem Halt in oder bei Birnau auf.  Da es hier kaum eine Wohnbebauung gibt hätte diese Haltestelle fast ausschließlich eine touristische Bedeutung. Diese ist aber zweifelsfrei groß, und so könnte man sicher mit ausreichend Fahrgästen rechnen. Allerdings dürfte die Nachfrage tageszeitlich und auch jahreszeitlich stark schwanken. Wie dies in einen Taktfahrplan integriert werden könnte, bleibt offen. Es wäre deshalb zu prüfen, ob man nicht mit einem Busshuttle von Uhldingen besser bedient wäre.

Realisierungschancen: Eher unwahrscheinlich

Einzugsbereich einer Haltstelle in Maurach-Birnau

Mühlhofen

(Quelle: Planungen DB Netz, IBSB, ehemaliger Bahnhalt)

Die Haltestelle in Mühlhofen zu reaktivieren war schon Teil von Untersuchungen zur Bodenseegürtelbahn5. Die Einwohnerzahl von etwa 2800 6 dürfte ein ausreichendes Fahrgastpotential bieten. Allerdings wird Mühlhofen schon durch zwei Buslinien bedient. Hier ist also eine genauere Untersuchung und ggf. ein Anpassen der Busverbindungen notwendig.

Realisierungschancen: Sehr wahrscheinlich

Einzugsbereich der beiden Haltestellen in Uhldingen und Mühlhofen

Mittelstenweiler

(Quelle: IBSB, ehemaliger Bahnhalt)

Hier befand sich in früherer Zeit eine Haltestelle. Die geringere Einwohnerzahl sowie die große Entfernung des Siedlungsraumes von der Bahnstrecke lassen aber nur eine geringe Nachfrage erwarten.

Realisierungschancen: Sehr unwahrscheinlich

Einzugsbereich einer Haltestelle in Mittelstenweiler

Bermatingen Buchberg

(Quelle: IBSB)

Eine Haltestelle Bermatingen-Buchberg dürfte etwa 700m östlich der Haltestelle Bermatingen-Ahausen zum liegen kommen. Diese kurze Entfernung und die geringe Bebauung im Einzugsbereich dürften aber kaum ausreichen.

Realisierungschancen: Sehr unwahrscheinlich

Einzugsbereich der heutigen Haltestelle Bermatingen-Ahausen
Einzugsbereich mit einer zusätzlichen Haltestelle Bermatingen-Buchberg

FN-Lipbach

(Quelle: Planungen der DB Netz, IBSB)

Eine Haltestelle in FN-Lipbach würde sowohl die Wohngebiete Lipbach als auch die Industriegebiete südöstlich von Markdorf erschließen. Allerdings ist die Bebauung im Einzugsbereich eher gering und es fahren bereits Busse zwischen Markdorf und Friedrichshafen. Allerdings könnte sich bei einer Entwicklung weiterer Wohngebiete eine Haltestelle durchaus lohnen. Voraussetzung für eine Haltestelle wäre auf jeden Fall der Bau eines Fuß- und Radweges nach Riedheim.

Realisierungschancen: Eher wahrscheinlich

Einzugsbereich für eine Haltestelle FN-Lipbach

FN-Kluftern

(bestehender Bahnhalt)

Aktuelle befindet sich die Haltestelle Kluftern in einer Randlage südlich von Kluftern. Verlegt man die Haltestelle etwas weiter nach Norden kann die Erreichbarkeit der Station attraktiver gestaltet werden. Voraussetzung dafür wären der Bau von direkten Fuß- und Radwegen nach Kluftern und Efrizweiler.

Realisierungschancen: Eher wahrscheinlich

Einzusgereich der heutigen Haltestelle FN-Kluftern
Einzugsbereich mit einer nördlich verschobenen Haltstelle Kluftern

FN-Seemoos und FN-Strandbad

(Quelle: IBSB, ehemaliger Bahnhalt)

Bei einer Reaktivierung der ehemaligen Haltestellen Seemoss und Strandbad würden sich die Abstände zur bestehenden Haltestelle FN-Landratsamt deutlich verkürzen. Würde man aber gleichzeitig die Haltestelle Landratsamt wieder schließen ergäbe sich eine gute und gleichmäßige Erschließung der westlichen Stadtteile von Friedrichshafen. Allerdings fahren auf dieser Strecke schon einige Buslinien so dass man hier eine Konkurrenzsituation schaffen würde.

Realisierungschancen: Eher unwahrscheinlich

Einzugsbereich der heutigen Haltestellen/Bahnhöfe in FN-West
Einzugsbereich mit zwei zusätzlichen Haltestellen in FN-Strandbad und FN-Seemoos
Einzugsbereich mit zwei neuen Haltestellen die die Haltestelle FN-Landratsamt ersetzen

FN Bussardgasse, FN Colomban und FN TKW

(Quelle: IBSB)

Über die genaue Lage dieser Haltestellen ist leider nichts bekannt, daher kann hier keine Beurteilung erfolgen. Allerdings ergibt sich zwischen FN-Stadt, FN-Ost und FN-Löwental eine Lücke in der Abdeckung. Diese könnte durch eine Haltestelle am Zusammenschluss der Südbahn mir der Bodenseegürtelbahn geschlossen werden und dabei von Zügen sowohl Richtung Lindau als auch Richtung Ravensburg bedient werden. Außerdem könnte hierdurch die Trennung der Stadt durch die Bahngleise verbessert werden, indem die Haltestelle gleichzeitig eine Unterführung an dieser Stelle darstellt. Dadurch erhielten auch nördlich der Bahngleise gelegene Wohn- und Industriegebiete Zugang zu den Bussen nach/von Tettnang.

Allerdings gibt es zu beachten, dass sowohl die nördlich als auch südlich der Südbahn gelegenen Gebiete bereits sehr gut durch Buslinien abgedeckt sind.

Realisierungschancen: Eher unwahrscheinlich

Einzugsbereich der heutigen Bahnhöfe/Haltestellen in östlichen Teile von Friedrichshafen
Einzugsbereich mit einer zusätzlichen Haltestelle am Zusammenschluss von Südbahn und Bodenseegürtelbahn

Langenargen Nord

(Quelle: IBSB)

Ein zusätzlicher Halt Langenargen-Nord könnte die nördlichen Wohngebiete von Langenargen abdecken sowie einen besseren Zugang zum Ortsteil Bierkeller ermöglichen. Ob das Fahrgastpotential ausreichend ist, ist durch die geringe Bebauung im Einzugsgebiet aber sicherlich fraglich.

Realisierungschancen: Eher unwahrscheinlich

Einzusgereich des Bahnhofes Langenargen mit zusätzlicher Haltestelle Langenargen-Nord

Gohren

(Quelle: IBSB)

Dieser Halt würde den Ortsteil Gohren der Gemeinde bedienen und einen besseren Zugang zum dazugehörigen Yachthafen und Campingplatz ermöglichen. Das Fahrgastpotential dürfte aber gering sein.

Realisierungschancen: Sehr unwahrscheinlich

Einzugsbereich von zwei zusätzlichen Haltestellen Gohren und Kressbronn-Industrie

Kressbronn Industrie

(Quelle: IBSB)

Dieser Halt dürfte westlich des Bahnhofes von Kressbronn liegen und würde den Zugang zum dortigen Industriegebiet verbessern. Das Fahrgastpotential dürfte aber auch hier gering sein.

Realisierungschancen: Sehr unwahrscheinlich

Kressbronn Süd

(Quelle: IBSB)

Gerade in diesem Bereich liegt ohnehin schon im Einzugsbereich des Bahnhofes Kressbronn. Dadurch dürfte sich kaum ein Fahrgastpotential ergeben.

Realisierungschancen: Sehr unwahrscheinlich

Wasserburg Hege

(Quelle: IBSB)

Dieser Halt dürfte relativ genau mittig zwischen Wasserburg und Nonnenhorn zum Liegen kommen. Das Fahrgastpotential dürfte aber aufgrund der geringen Bebauung im Einzugsbereich und des geringen Abstandes zu den nächsten Haltestellen gering sein.

Realisierungschancen: Sehr unwahrscheinlich

Einzugsbereiche in Wasserburg und Nonnenhorn im heutigen Zustand
Einzugsbereich mit einer zusätzlichen Haltestelle Wasserburg-Hege

Lindau Mitte

(Quelle: IBSB)

Dieser Halt würde sich vermutlich dort befinden, wo sich früher der Halt „Langenweg“ befand, also ca. 800 Meter westlich des Bahnhofes Lindau-Reutin, bei der Überführung der Inselstraße. Dieser Halt würde weitere Gebiete der Stadt Lindau erschließen und einen weiteren Zugang zur Insel Lindau ermöglichen. Allerdings ist Lindau durch die bestehenden Bahnhalte bereits gut abgedeckt, außerdem würde man eine Konkurrenz zum Busverkehr schaffen.

Realisierungschancen: Eher unwahrscheinlich

Einzugsbereich der heutigen Bahnhöfe und Haltestellen in Lindau
Einzugsbereich mit einer zusätzlichen Haltestelle Lindau-Mitte

Fazit

Selbst bei einer groben Bewertung zeigt sich, dass nur wenige mögliche neue Haltestellen eine tatsächliche Aussicht auf Erfolg haben. Dies zeigt aber auch, dass die vergangenen Jahrzehnte durchaus eine natürliche Auswahl an rentablen und unrentablen Stationen vorgenommen haben.

Nur für den Halt in Mühlhofen gibt es eine echte Perspektive in Zukunft ausreichend Fahrgäste anzuziehen. So ist es auch logisch, dass dieser Halt beim Ausbau der Bodenseegürtelbahn eingeplant wird. Alle anderen möglichen Haltestellen, dabei unter anderen auch der Halt in Espasingen, sind kritisch zu hinterfragen oder gleich abzulehnen.

1 Zeit für neue Haltestellen, Bodenseegürtelbahn attraktivieren, Referat, 21.05.2015, Paul Stopper,

2 Ausbau und Elektrifizierung der Bodenseegürtelbahn – Ergebnisse der Vorplanung, März 2023, DB Netz AG

3 Verkehrsbild Deutschland – Angebotsqualitäten und Erreichbarkeiten im öffentlichen Verkehr, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, 08/2018, Thomas Pütz, Dr. Stefan Schönfelder

4 Stadt Stockach, www.stockach.de, abgerufen am 16.04.2023

5 Optimierung Angebotskonzeption Bodenseegürtelbahn, Bericht, 01.07.2013, SMA und Partner AG

6 Südkurier: „Fast jeder vierte Einwohner ist 65 Jahre oder älter“, www.suedkurier.de , 19.12.2019